Artikel der HAZ vom 20.10.2025

Damit Menschen im Notfall nicht mit dem Motorrad in den Nachbarort fahren müssen, hat ein Verein aus ehemaligen Andreanern im ostindischen Thilliyardi ein neues Krankenhaus bauen lassen.

GIACOMO BLUME (LINKS) UND BETTINA SPEIKAMP (RECHTS) MIT MITARBEITERINNEN DES BETZY ELISABETH TRUST. FOTO: PRIVAT

Drei Dinge seien es, die ihr besonders am Herzen liegen. Hilda Isaac rückt ihren orangenen Sari, ein traditionelles indisches Kleidungsstück, zurecht und zählt an ihren Fingern die Prinzipien des Betzy Elisabeth Trust ab, einer von ihr geleiteten Sozialorganisation im südindischen Porayar. „Erziehung, Nahrung und medizinische Versorgung. Dabei unterstützen wir die Menschen hier“, sagt Isaac in die Kamera und strahlt dabei den Mann dahinter an.

Der heißt Giacomo Blume. Hinter ihm liegen knapp zehn Stunden Flug und 270 Kilometer Autofahrt, die Luftfeuchtigkeit an der Südspitze Indiens ist hoch, der Straßenverkehr, nun ja, gewöhnungsbedürftig. Blume ist Gründungsmitglied und zweiter Vorsitzender des Vereins Nampu e.V., 2007 von ehemaligen Schülerinnen und Schülern des Hildesheimer Andreanums ins Leben gerufen und seitdem darin engagiert, soziale Einrichtungen in Südindien zu unterstützen.

Seit 2010 arbeitet der Verein eng mit dem Betzy Elisabeth Trust zusammen, der unter der Ägide von Hilda Isaac in den Städten Kodaikanal und Poraiyar soziale Projekte unterschiedlichster Art verantwortet. Hildesheim und dem auf rund 2200 Metern Höhe in den Palani-Bergen gelegenen Kodaikanal verbindet seit mehr als 20 Jahren eine enge Bande – regelmäßig besuchen sich Andreaner und Schüler der indischen Partnerschule Kodaikanal International School (KIS) gegenseitig, mit Spendenaktionen sammeln die Hildesheimer Geld, um die Projekte in Südindien weiter voranzubringen.

Heute ist Blume Teil einer Zwei-Personen-Delegation, die sich von Hildesheim in die südindische Region Tamil-Nadu aufgemacht hat, um ein ganz besonderes Projekt in Augenschein zu nehmen. Gemeinsam mit seiner Kollegin, Ex-Andreanerin und erster Vereinsvorsitzenden Bettina Speikamp ist er zur Eröffnung des Nambu Community Health Center in Thilliyardi gekommen. Mehrere Jahre hatte sich der Verein bereits mit dem Kauf des Grundstücks und dem Bau des kleinen Krankenhauses engagiert – nun kann die Einrichtung, die mit rund um die Uhr angestelltem Pflegepersonal und insgesamt sechs stationären Betten zur Verbesserung der medizinischen Betreuung im Ort sorgen soll, ihren Betrieb aufnehmen.

Vor dem Eingang des Krankenhauses, zu dessen feierlichen Eröffnung nicht nur die Bewohner des Dorfes mit einem Festumzug gekommen sind, sondern auch eine indische Blaskapelle aufspielt, prangt ein großes Schild mit dem Hildesheimer Vereinsnamen: „Nambu Community Health Center“. Nampu – je nach lokaler Übersetzung mit b statt p geschrieben – heißt aus dem tamilischen übersetzt „Hoffnung“.

„Es ist schon ein tolles Gefühl, wenn man vor einem Gebäude steht und denkt: Wow, das habe ich mit aufgebaut“, erzählt Giacomo Blume am Telefon kurz nach seiner Heimreise aus Südindien. Das erste – und vor seiner Reise in diesem Jahr letzte – Mal war Blume 2006 in Indien, im Rahmen eines Schüleraustauschs. Eine Woche seien er und weitere Andreaner damals in Indien gewesen, hätten die Partnerschule besucht und bei der Instandsetzung der Gebäude geholfen. „Wir haben damals schon erkannt, was dort passiert und wo Unterstützung fehlt.“

Tamil Nadu ist im Vergleich zu anderen Regionen Indiens verhältnismäßig wohlhabend. Dennoch bestehen auch dort gravierende soziale Probleme und Ungleichheiten. So sind die außerhalb des Kastensystems stehenden Dalit, die einen hohen Bevölkerungsanteil von etwa einem Fünftel haben, nach wie vor gesellschaftlicher Ausgrenzung und wirtschaftlicher Benachteiligung ausgesetzt. Entsprechend hoch ist die Arbeitslosigkeit, auch Kinderarbeit ist noch immer ein weit verbreitetes Problem.

Nachdem Nampu e.V. mit dem Good Shepherd Creche in Thillaiyadi bereits 2014 eine Kindertagesstätte finanziert hatte, soll das neueröffnete Krankenhaus nun eine weitere wichtige Rolle in dem Ort einnehmen. „Bislang musste man bei medizinischen Notfällen immer in die nächstgelegene Stadt fahren“, sagt Blume. Für Familien ohne Auto oder Motorrad ein großes Hindernis. Dazu kommt: Da in den Krankenhäusern keine Verpflegung bereitgestellt wird, muss ein Angehöriger den Kranken mit Essen versorgen und zu den Untersuchungen bringen. „Das führt dann oft zu einem Verdienstausfall nicht nur des Erkrankten, sondern auch des pflegenden Angehörigen – und kann die Menschen dann in große Armut stürzen“, sagt Blume.

Neben der ausgeweiteten medizinischen Versorgung des neuen Nambu Community Health Center und der Betreuung in der Good Shepherd Creche-Kindertagesstätte ermöglicht der durch den Hildesheimer Nampu-Verein unterstützte Betsy Elizabeth Trust aber auch dem beschäftigten Personal ein Leben außerhalb der Existenznot. „Die angestellten Erzieherinnen sind fast durchgehend selbst Personen, deren Leben durch Alkoholismus, Erkrankungen oder Tod von Angehörigen schutz- und hilfsbedürftig sind“, erzählt Blume. Weil in Indien nach wie vor der Mann als Ernährer gilt, ist eine alleinstehende Frau grundsätzlich großer Not ausgeliefert. „Durch eine Anstellung im Betsy Elizabeth Trust kann den Menschen ein Leben in Würde ermöglicht werden“, sagt Blume.

Damit die Organisation ihre Projekte durchführen kann, sammelt Nampu e.V. weiterhin Spenden. Wer sich beteiligen möchte, findet hier weitere Infos. Wer darüber hinaus mehr über die Arbeit des Vereins erfahren will, kann am Samstag, 1. November, an der diesjährigen Mitgliederversammlung teilnehmen. Dort präsentieren Bettina Speikamp und Giacomo Blume auch ihre Eindrücke von ihrer Reise nach Indien. Beginn ist um 17 Uhr im Andreanum.