Die 13-jährige Annlis Krischke aus Hildesheim spielt die weibliche Hauptrolle im Film „Träume sind wie wilde Tiger“, der nächsten Donnerstag anläuft / Spezialvorstellung im Thega.
Bei Filmfestivals über den roten Teppich laufen, Autogramme schreiben, für Fotos posieren: Annlis Krischke erlebt Dinge, die sich viele andere in ihrem Alter ersehnen. Am Donnerstag kommt „Träume sind wie wilde Tiger“ in die deutschen Kinos. Annlis Krischke aus Hildesheim spielt die weibliche Hauptrolle. Mit elf Jahren.
So alt war sie jedenfalls, als die Dreharbeiten im Februar 2020 in der indischen Mega-City Mumbai begannen – dem Ort, an dem die Filmgeschichte ihr großes Finale erleben wird. Der Wunsch eines indischen Jungen, in Bollywood groß rauszukommen. Und die Entschlossenheit eines deutschen Mädchens, ihm dabei zu helfen. Dieses Mädchen spielt Annlis Krischke.
Inzwischen ist sie 13, die jüngste von sieben Geschwistern. Die Lust auf Kunst und Bühne muss in den Genen liegen, denn fast alle ihre Geschwister sind in diese Richtung gegangen, arbeiten als Musicaldarstellerin, Schauspieler, Komponist oder Regieassistentin.
Man könnte meinen, dass es dieser Einfluss war, der Annlis zum Film brachte, doch sie schüttelt den Kopf. Eher seien es die Kinobesuche gewesen, die sie mit ihrer Familie unternommen hat. „Das haben wir viel gemacht“, sagt ihre Mutter Swantje Krischke. „Wir haben ja keinen Fernseher.“ Lieber gehen sie ins Theater, in den Zirkus oder eben ins Kino. Eine Kindheit ohne TV? Ihre Geschwister hätten bei Freundinnen und Freunden ferngesehen, erzählt Annlis, „aber mich hat das nie gereizt“.
Die Geschichten auf der großen Leinwand umso mehr, allen voran „Hanni und Nanni“. Außerdem der Musicalfilm „The Greatest Showman“ und diverse Tanzfilme. Denn Tanz ist ihre eigentliche Leidenschaft – doch dazu später mehr.
„Ich habe meine Eltern drei Jahre lang gelöchert, dass ich unbedingt in einem Film spielen will“, sagt Annlis. Wie sie ursprünglich auf die Idee gekommen ist, weiß sie gar nicht mehr. Die Eltern wollten nicht. „Ich hatte Angst vor dem Star-Rummel. Eine behütete Kindheit ist viel wert“, erwidert Swantje Krischke. „Aber irgendwann hatten wir dass Gefühl, sie würde es uns ewig vorwerfen, wenn wir es nicht versuchen.“
Der erste Anlauf, ein Casting für „Die Schule der magischen Tiere“, ging schief – Annlis kam zwar in die engere Auswahl, wurde schließlich doch nicht genommen. „Ich habe drei Tage lang geheult“, gesteht sie. Eine Weile später erfuhr ihre Schwester Linda, dass für „Träume sind wie wilde Tiger“ die weibliche Hauptfigur gesucht wurde. Aus dem Urlaub heraus bewarb sich Annlis mit einem kurzen Video beim so genannten E-Casting – und wurde diesmal zum Vorsprechen nach Berlin eingeladen. „Es hat noch ewig gedauert, bis die Zusage kam“, erinnert sich Swantje Krischke. Annlis erfuhr die gute Nachricht, als sie aus der Schule, dem Andreanum, kam. „Und dann bin ich kreischend in die Luft gesprungen.“
Vor den Dreharbeiten erhielten sie und ihr Film-Partner Shan Robitzky ein Schauspiel-Training, dann ging es in den Flieger nach Mumbai – mit Swantje Krischke als Begleiterin. „Wir hatten ein Hotel mit Pool und einen Fahrer, irgendwie war alles perfekt“, berichtet Annlis. Mumbai mit seinen 12,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern (28,4 Millionen in der Metropolregion) habe ihr gut gefallen. „Man sieht schon, dass es sehr arm ist, aber es ist einfach eine Pracht.“ So viel mehr Farbe und Leben sei auf den Straßen als in Deutschland.
Besonders beeindruckt hat sie der erste Drehort, eine riesige Wäscherei. 7000 Menschen sollen dort arbeiten – und leben. Sie übernachten, eng zusammengepfercht, in winzigen Kammern. Ein unüberschaubares Wirrwarr von Gassen durchzieht diesen Ort. Im Film sieht man Annlis und Shan, wie sie mit vollem Tempo hindurch rennen, denn der Junge droht das Casting in den berühmten Bollywood-Studios zu verpassen.
Auch dort wurde gedreht. „Das ist eigentlich wie eine ganze Stadt mit Straßen, Parks und Tempeln“, erzählt Annlis Krischke. Pro Tag wurde eine Szene gespielt, in der Regel aus vier oder fünf verschiedenen Einstellungen, „und die macht man schon jeweils siebenmal“. „Es war genauso gut, wie ich es mir vorgestellt habe. Echt cool!“, sagt die 13-Jährige mit einem Strahlen in den Augen. Nur, dass es so viele und lange Wartezeiten geben würde, habe sie nicht erwartet.
Zurück in Deutschland folgten noch Drehtage in Berlin und Halle. Und anschließend, nach der Fertigstellung, die Festivals. Annlis konnte nicht überall dabei sein, doch immerhin in Hamburg und Schwerin. „Ich musste mich erst daran gewöhnen, mich selber zu sehen“, erzählt sie. Mittlerweile hat sie schon eine nächste Rolle ergattert, doch ob der Film wirklich gedreht wird, steht in den Sternen – durch Corona ist die Finanzierung auf der Kippe.
Langeweile kommt auch so nicht auf, Annlis nimmt Klavierunterricht, singt in zwei Chören, „aber meine Leidenschaft ist das Tanzen“. 14 Stunden pro Woche trainiert sie bei Saltazio. Denn das wäre ihr Zukunftstraum: Tänzerin sein – und ab und zu in einem Film spielen.
Was ist mit der Schule, die gibt es doch auch noch? Annlis zuckt mit den Schultern und guckt nach unten. Ihre Mutter springt ihr bei: „Das willst du nicht sagen, oder?“ Und dann, zum Gegenüber gewendet: „Das klappt sehr gut.“ Vielleicht sind Träume tatsächlich wilde Tiger. Die können weit springen.
Die offizielle Premiere des Films ist am 2. Februar in Halle, Annlis Krischke wird dabei sein. In Hildesheim läuft „Träume sind wie wilde Tiger“ ab dem 3. Februar im Thega-Filmpalast. Eine besondere Vorführung mit Verlosung gibt es dort am Sonntag, 6. Februar, um 12 Uhr. Nach dem Film beantwortet Annlis Krischke die Fragen der Zuschauerinnen und Zuschauer.
Text und Foto: Archiv der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung 29.Januar 2022
