I would trade all my technology for an afternoon with Sokrates
(Steve Jobs, Gründer von Apple, 28.10.2001 in Newsweek,
The classroom of the Future)


Altgriechisch als Schulfach im Zeitalter der Generation Z (* 1996-2010)? Als Vorstellung auf den ersten Blick kaum denkbar - wenn man aber genauer hinsieht, ist der Gedanke bestechend. Diese Generation, die momentan unsere Schulen besucht und auf den Arbeitsmarkt drängt, charakterisieren Jugendforscher wie folgt: Die jungen Menschen sähen als wichtige Werte Kreativität, Nachhaltigkeit und Sinnsuche, ihre besonderen Merkmale seien: das Smartphone (als ihr verlängerter Arm), ihr Wunsch nach Sicherheit und ein Streben nach persönlicher Entfaltung.

Als Schule ohnehin, aber auch mit den inhaltlichen und methodischen Angeboten der einzelnen Fächer dürfen wir also dazu beitragen, jungen Menschen Bildung zu vermitteln, die phantasievoll und nachdenklich, zukunftsorientiert auch in ihrem aktuellen Handeln und auf der Suche nach einem tieferen Sinn ihres Tuns und Seins sind. Diese Jugend kennt keine Welt ohne Medien, kennt dabei die ganze Welt aus den Medien, wünscht sich aber offenbar auch Geborgenheit und individuellen Entwicklungsfreiraum zugleich.

Ohne im Ernst behaupten zu wollen, dass in einem kleinen (Mittelmeer)winkel der Erde schon vor 2500 Jahren die Vorläufer unserer heutigen Jugend ihr geistiges (Un)Wesen trieben, sehen wir als Fachgruppe Griechisch hier viele Parallelen zu dem, wofür der Griechischunterricht am Andreanum steht - für unsere europäischen Wurzeln:

 

Ursprünge der Philosophie

Aristoteles hat das Sich-Wundern an den Anfang allen Philosophierens gestellt, das griechische Bekenntnis zur Wertschätzung von Weisheit: Die auch uns immer bewegende Frage, wie wir leben sollen/wollen/können, hat Sokrates auf dem Marktplatz in Athen, der Agora, in unzähligen Gesprächen mit jungen Leuten erörtert. Seine Unterscheidung zwischen gutem und sittlich gutem Leben sollte auch heute noch Maßstäbe im gesellschaftlichen Diskurs setzen. (Viele seiner Gedanken münden in die philosophischen Schriften Platons, die mit ihrer unerbittlichen Suche nach der Idee des an sich Guten viel Gutes bewirkt haben, vieles Schlechte leider aber ebenso nicht verhindern konnten.) Daneben gab es auch die vehementen Verfechter einer Privatkultur, den Wunsch nach einem Leben im Verborgenen, nach dem Recht auf persönlichen Genuss, wie es der Philosoph Epikur fordert.

Ursprung der Demokratie in Europa

In seinem Ringen um die Frage nach dem richtigen Leben konnte und wollte das antike Griechenland Kriege gegen äußere Feinde, aber auch im Inneren nicht verhindern. In diesem Zwiespalt aber haben die Athener bereits einige Hundert Jahre vor Christi Geburt die Staatsform begründet, die heute die Eintrittskarte für eine Mitgliedschaft in der europäischen Staatengemeinschaft mitbestimmt, die Demokratie: Diese Staatsform geht schon damals von der Einsicht aus, dass der Staat, die Polis, all seine Bürger angeht - sie müssen mitgestalten, dürfen und sollen (!) daher auch mitbestimmen.

Ursprünge der europäischen Literatur

Die Griechen haben mit ihrer besonderen Fähigkeit, das menschliche Sein zu reflektieren, nicht nur Literaturgeschichte geschrieben, sondern sie auch in Europa begründet: Die Epen Homers, die Geschichte vom trojanischen Krieg, die Irrfahrten des Odysseus, stehen dabei am Anfang und sind die Vorläufer unserer gesamteuropäischen epischen Literatur. Wer im Griechischunterricht erfährt, dass solche Mythen existentielle Grundsituationen illustrieren, kann nachvollziehen, warum sie immer wieder in der europäischen Kunst und Literatur rezipiert worden sind.

In Griechenland wurden die ersten Dramen Europas auf die Bühne gebracht (dazu wurde quasi so nebenbei ein besonderer Aufführungsort, das Theater, erfunden); die Antigone des Sophokles oder die Medea des Euripides werden noch heute in den großen Häusern der Welt inszeniert und haben zahllose Rezeption bis in unsere Zeit erfahren.
Und Griechen haben bereits damals eine Lyrik gekannt, die - teils philosophisch geprägt - eben auch das Individuum als Ganzes im Blick hatte: Nur so kann ein Archilochos im 6. vorchristlichen Jahrhundert sich gegen das Männerideal seiner Zeit stellen und uns über die Verteidigungswaffe, die ein Krieger auf der Flucht ins nächste Gebüsch schmeißt, empfehlen:
[…] Was schert mich der Schild da hinten?
Vorbei! demnächst holʼ ich mir einen, der nicht schlechter ist!


Griechisch am Andreanum

Das sind die Inhalte, mit denen sich der moderne Griechischunterricht von Anfang an befasst: Wir beginnen am Andreanum mit dem Spracherwerb mit unserem Lehrbuch Mythologia in der Mittelstufe und lesen spätestens ab der 11. Klasse die Klassiker: z.B. Homer, Herodot, Platon und Sophokles. Wer mind. bis zur 12. Klasse Griechisch belegt, kann einen Abschluss erreichen, das Graecum, ein auf dem Abiturzeugnis eingetragenes Zertifikat: Jedem, der es später in die Hand nimmt, bezeugt es, dass hier ein junger Mensch Mühe aufgewendet und sich Zeit genommen hat, etwas besonders Wertvolles zu lernen.

Wir versuchen, an möglichst authentischen Orten diesen lange vergangenen Zeiten nachzuspüren: Z.B. durch einen schlichten Theaterbesuch in Hildesheim oder in der Gipssammlung des archäologischen Instituts der Uni Göttingen, der kleinen, aber feinen Sammlung griechischer Vasen des Kestnermuseums Hannover oder mit einer ausführlichen Besichtigung des deutschen Bundestages in Berlin, des Sitzes unserer eigenen Demokratie.
Am Ende ihrer Schulzeit besteht immer wieder die Chance, dass sich unsere Oberstufenschüler*innen auf eine Studienfahrt nach Griechenland aufmachen, um selbst an Ort und Stelle zu stehen, wo vor mehr als 2500 Jahren schon Sokrates im Schatten gesessen hat oder in Olympia das olympische Feuer zum ersten Mal entzündet wurde.

Die Inhalte unseres Griechischunterrichts spiegeln Kreativität und Sinnsuche, Nachhaltigkeit vielleicht weniger im Erhalt der Umwelt als vielmehr in einer Kontinuität des Nachfragens und Antworten- Suchens auch für später; Schüler*innen lernen die Neugier der Griechen kennen, die ihre Welt erkunden, verstehen und beschreiben wollten. Und sicher nicht erst die hellenistische Philosophie eines Epikur zeigt, dass der Einzelne stets auch ein Recht auf eine eigene Existenz, ein Privatleben hat und für sich beanspruchen darf.

Dies sind Denkweisen, die auch eine Generation Greta bewegen. Das Smartphone hat natürlich im Griechischunterricht längst Einzug gehalten, weil es ihn beleben, interessanter machen und moderner gestalten kann – aber eben nicht zu ersetzen vermag.

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