Hildesheim - Pfeiffer mit drei F lässt grüßen: Liesel und Rudolf Thomasius vom Hildesheimer Andreanum sind Lehrer, die in der Erinnerung zu filmreifen Pädagogen-Helden werden.

Hildesheim - Über ein Jahr hatten sich die Dreharbeiten hingezogen, nun sollte die „Feuerzangenbowle“ endlich in die deutschen Kinos kommen. Doch Bernhard Rust, als Erziehungsminister des NS-Regimes für die Freigabe zuständig, sah durch den Streifen die Autorität von Schule und Lehrern gefährdet und legte sein Veto ein. Produzent und Hauptdarsteller Heinz Rühmann machte sich daher Anfang 1944 selbst auf den Weg ins Führerhauptquartier, um Hitler von der stimmungshebenden Wirkung der Geschichte zu überzeugen.

Ein Anker in der Vorweihnachtszeit
Trotz seiner kritisch diskutierten Bedeutung für die Durchhalte-Propaganda der Nazis zählt die filmische Umsetzung des Romans von Heinrich Spoerl bis heute zu den deutschen Unterhaltungs-Klassikern. Gerade in der Vorweihnachtszeit sind quer durch alle Programme Sendeplätze für Wiederholungen reserviert und nicht nur im Zentralen Hörsaalgebäude der Göttinger Universität gehörte die Aufführung jahrzehntelang fest zum Ritual der studentischen Nikolauspartys, Heidelbeerwein und Wunderkerzen natürlich inklusive.

 



Auch bei heutigen Pennälern genießen die mitunter etwas skurril gespielten aber legendär gewordenen Lehrer-Typen vom Schlage eines Bömmel oder Schnauz noch immer Kult-Status. Und später werden sich die jetzt Aktiven an die Lehrkräfte ihrer Schulzeit genauso liebevoll erinnern wie alle Jahrgänge vor ihnen. Auch aus der Hildesheimer Schullandschaft haben einige Lehrer den Sprung in den gymnasialen Olymp geschafft und werden von ihren ehemaligen Adepten verehrt wie weiland die Akteure der Feuerzangenbowle:

Wie im Film
Pädagogen, die man respektiert wie Oberlehrer Dr. Brett, ihnen aber auch fröhlich zuwinkt, wenn sie einem wie Zeus in einem Gasthaus begegnen. Am altehrwürdigen Andreanum passt in dieses Bild wohl niemand besser als das Ehepaar Liesel und Rudolf Thomasius. Selbst zu einer Institution geworden sollte der Studiendirektor von Abiturienten einmal treffend mit dem Satz „Auf Wiedersehen, Herr Andreaner!“ verabschiedet werden.

Eingeweihte haben Frau Thomasius als herzensgute und zugewandte Klassenlehrerin vor allem der Stufen 5 bis 7 kennen und lieben gelernt, die vielen ihre Muttersprache erst richtig ans Herz legte und für ihre Schüler fast wie eine zweite Mutter war. Ihr Gatte dagegen brachte auch für in den alten Sprachen nicht so talentierte Zeitgenossen viel Verständnis auf und versuchte alles, um den „Hämmerchen-Kasus“ wie auch die „Wald- und Wiesenwörtchen“ zu vermitteln.

Die Stimme – ein Phänomen
Seine Begeisterung für die Eleganz und Schönheit der griechischen Sprache sprang regelmäßig auf die Zuhörenden über, was auch an der faszinierenden und unnachahmlichen Aura seiner Stimme gelegen haben mag, die ein Kollege als „verlässliches baritonales, teils tenorales Etwas mit gelegentlich bedeutungsschwangerem Tremolo“ beschrieb, ein „akustisches Phänomen, wie man es in den Praxen guter Ärzte findet, wo man sich schon durch das warm gefärbte Timbre des Äskulap gesunder fühlt.“



Ob Rudolf Thomasius schon eigene schulische Karrierepläne hegte, als die „Feuerzangenbowle“ erstmals gezeigt wurde, ist nicht überliefert. Damals kommandierte der 21-Jährige gerade als Oberleutnant eine Nachrichteneinheit in Italien. Bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges hatte man ihn aus der 12. Klasse zum Arbeitsdienst und dann zur Wehrmacht eingezogen, die Abiturprüfung konnte er erst nach der Kriegsgefangenschaft ablegen. Dann aber war der Berufswunsch klar, dem Studium der Fächer Latein, Griechisch und Französisch an der Georgia Augusta folgte das Referendariat.

Vom Assessor zur Institution
1959 trat Thomasius seine erste Stelle als Assessor am Andreanum an. Und hier sollte er bis zu seiner Pensionierung bleiben, 28 lange Jahre, 15 davon als zweiter Mann an der Spitze. Unermüdlich im Einsatz und rund um die Uhr für Kollegen, Schüler und Eltern erreichbar war Rudolf Thomasius über die normalen Unterrichts- und Leitungsverpflichtungen hinaus noch Fachobmann, Personalratsmitglied und Verbindungslehrer. Er organisierte Schüleraustausche, kümmerte sich um Gastschüler, gab den Jahresbericht heraus, baute den Freundeskreis auf und kümmerte sich um den Kontakt zu den Ehemaligen, pflegte dabei besonders Beziehungen zu von den Nazis ins englische Exil getriebenen jüdischen Andreanern wie Sir Hans Adolf Krebs oder Walter Dux.

Die Eheleute Thomasius stammten aus Ostfriesland, mit der stammestypischen Konsequenz verfolgten sie ihren Dienst am Schüler, ihrer Zeit weit voraus kamen beide dabei so oft wie möglich mit Rad oder Bus ins Gymnasium. Auch auf der unerbittlichen Steigung des Hagentorwalls versäumte es der fleißig weiter ins Pedal tretende Rudolf Thomasius niemals, zum Gruß der Passanten freundlich den Hut zu lüften.

Erinnerungen auch ohne Bowle
Die stets korrekte Kleidung gehörte zu den Markenzeichen des Philologen, der auch nach der Pensionierung allen „seinen“ Andreanern stets mit Zuneigung begegnete und sogar einen zwölfstündigen Flug nach Hongkong nicht scheute, um einen in die Kronkolonie abgeordneten Kollegen nach seinem Befinden zu befragen. Eine Schule mit solchen Lehrern muss sich um die Loblieder ihrer Schüler keine Gedanken machen, auch ohne Feuerzangenbowle stellen sich die Erinnerungen von ganz allein ein.

Von Sven Abromeit

 
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