Abend der Begegnung der Paten und Verlegung von elf Stolpersteinen am Andreanum
"Wenn Verstehen unmöglich ist, dann ist Wissen notwendig, denn was geschehen ist, könnte zurückkehren….es ist passiert, also kann es wieder passieren“, fasste der italienische Schriftsteller und Chemiker Primo Levi seine Erfahrungen als Häftling im Vernichtungslager Ausschwitz zusammen. Landesbischof Ralf Meister brachte mit diesen Worten die Sinnhaftigkeit der Verlegung von Stolpersteinen auf den Punkt. Gemeinsam mit Oberbürgermeister Dr. Ingo Meyer, dem Hildesheimer „Projektvater“ Dr. Hartmut Häger und Schulleiter Dirk Wilkening begrüßte der Geistliche am 28. Februar rund 70 Paten und Ehrengästen am Vorabend der Verlegung von elf Stolpersteinen ehemaliger Andreaner .
Der Landesbischof bedankte sich bei den Patinnen und Paten für Ihre Unterstützung für die Realisierung weiterer Stolpersteine ehemaliger Andreaner und würdigte insesondere das Engagament der Oberstufenschüler:innen, die im Rahmen ihrer Facharbeit sich intensiv mit den Biografien der jüdischen Andreaner beschäftigt hatten.
Diese elf Steine ergänzen acht Stolpersteine an der Schule, die in einer ersten Aktion im Frühjahr 2021. „Das waren Menschen wie wir, die hier zur Schule gingen, lebten und arbeiteten wie wir - plötzlich waren sie ausgestoßen, nur weil sie jüdischen Glaubens waren und aufgrund der NS-Ideologie auszustoßen seien. Und alle, die etwas dagegen hätten tun können, haben weggesehen: Bürgerschaft, Kirche, Vereine und andere auch. Daran gilt es zu denken, wenn wir über diese Steine im wahrsten Sinn des Wortes stolpern“, betonte Hartmut Häger. Mit ihnen würden Menschen, deren Existenz vernichtet und dauerhaft ausgelöscht werden sollte, wieder sichtbar, ihre Biografie wieder erfahrbar.
Die elf Steine vor dem Haupteingang des Andreanums sind nur ein kleiner Bestandteil des „größten dezentralen Denkmals der Welt“ , so Dr. Häger, das mittlerweile mehr als 90.000 Stolpersteine umfasse, die bisher in rund 1.300 deutschen Städten und weltweit in 27 Jahren verlegt wurden. Sie alle gehen auf einen Mann zurück: Der in Köln lebende Künstler Gunter Demig hat 1996 dieses Projekt gestartet, die Steine entworfen und viele davon auch selbst verlegt.
So auch am 1. März in Hildesheim: Um 10 Uhr trafen sich Paten, Personen des öffentlichen Lebens, Schüler:innen, Lehrkräfte vor dem Haupteingang der Schule, um die Verlegung von 47 weiteren Stolpersteinen in Hildesheim (darunter jenen 11 an der Schule) zu würdigen. Nach einer Begrüßung von Schulleiter Wilkening betonte Oberbürgermeister Dr. Meyer in seiner Ansprache daran, dass mit der Verlegung von Stolpersteinen seit 1998 an Menschen erinnert werde, die in Hildesheim von der nationalsozialistischen Ideologie sinnlos zu Feinden erklärt und Opfer des brutalen Gewaltregimes wurden. Auch diese Form der städtischen Erinnerungskultur lebe dabei, so der Oberbürgermeister, von einer aktiven Bürgergesellschaft. Dank der Unterstützung von Stolpersteinpatinnen und -paten konnten in den vergangenen 25 Jahren bereits 182 Stolpersteine in Hildesheim realisiert werden.
Aber es gehe dabei um weitaus mehr als nur um Erinnerung an die dunkelste Zeit unserer Geschichte. „Stolpersteine haben aber auch das Ziel, über das Gedenken hinaus für den besonderen Wert von Demokratie und Freiheit zu sensibilisieren und das heutige Handeln immer wieder zu reflektieren. Dies scheint gerade jetzt immer wichtiger: Auch heute erleben wir Fremdenhass und wieder offenen Antisemitismus. Das dürfen wir nicht hinnehmen und müssen gegen jegliche Verbreitung nationalistisch gefärbter Gesinnung eintreten“, unterstrich der Oberbürgermeister und legte im Anschluss mit dem Ortsbürgermeister der Stadtmitte/Nordstadt Dr. Tobias Eckhardt Rosen an den Stolpersteinen nieder.
Im Anschluss lasen die Paten, darunter die Regionalbischöfin Dr. Adelheid Ruck-Schröder in Vertretung des Landesbischofs, die Biografien der elf jüdischen Schüler vor und legten jeweils eine Rose am Stolperstein nieder. Musikalisch wurde die Gedenkfeier von einem Klarinettenensemble der Andreanerinnen Sina Dablan, Marlene König, Lissea Rump und Mirijam Wortmann. Am Andreanum und auch in der Stadt Hildesheim selbst wird man auch in Zukunft aktiv daran arbeiten das Wissen über Ausgrenzung und Ermordung in der NS-Zeit weiter zu verbreiten, damit es nicht noch einmal passieren kann.
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Hier geht es zu den Biographien der jüdischen Andreaner
Pressemitteilung der Stadt Hildesheim/Jörn Surborg – Fotos: Katrin Werkmeister