Otto Wolfes wurde am 9. Februar 1886 in Elze geboren und wuchs vermutlich in seinem Elternhaus in der Bahnhofstraße 19 auf. Er war nicht der einzige Sohn des Kaufmanns Harry Wolfes sowie seiner Mutter Cäcilie geb. Jacobs. Er hatte einen Bruder Namens Hans, der am 22. September 1884 auf die Welt kam. Vermutlich besuchte Otto wie die meisten Kinder jüdischen Glaubens die Volksschule in Elze, bis er zur Weiterbildung Ostern 1898 auf das Königliche Gymnasium Andreanum in Hildesheim wechselte. Ostern 1904 legte er dort seine Reifeprüfung ab und verließ das Gymnasium mit der Zielangabe „Mediziner“. Auch sein Bruder Hans besuchte das Andreanum, jedoch absolvierte er seine Reifeprüfung schon zwei Jahre vor Otto, Ostern 1902. Des Weiteren war Otto gemeinsam mit seinem Bruder Hans Mitglied im Elzer Männer-Turn-Verein.

Sowohl Otto als auch sein Bruder Hans waren beide Studenten in den Städten München, Leipzig, Kiel und Göttingen. Seine Promotion erlangte Otto im Jahr 1910 in München. Seine Dissertation behandelte das Thema „Cystom und Schwangerschaft“. Ebenfalls im Jahre 1910 erhielt er seine Approbation und erlangte somit den Doktortitel. Höchstwahrscheinlich zog er aus beruflichen Gründen gemeinsam mit seinem Bruder Hans, nachdem beide im Ersten Weltkrieg als Soldaten gekämpft hatten, in die Stadt Hannover.

Vermutlich war Hans als Jurist und Rechtsanwalt in Hannover in der Bahnhofstraße 7 beschäftigt. Seine Ehefrau war Martha, geb. Rathe, mit der er die Kinder Ruth (geboren im Jahr 1924), Susanne (1927) und Hans-Jürgen (1929) hatte. Otto hingegen war zuerst als Oberarzt beziehungsweise Stabsarzt der Reserve tätig, bis er im Januar 1919 Inhaber einer eigenen Privatklinik in der Baumstraße 16 wurde, in der er die Tätigkeit als Facharzt für Chirurgie und Orthopädie ausübte. Zudem war er auch wohnhaft in der Baumstraße 16. Ab dem Jahr 1922 übernahm Otto die Leitung des jüdischen Krankenhauses in Hannover.

Es ist anzunehmen, jedoch nicht anhand von vorgefundenen Quellen belegt, dass Otto in Hannover Friederike Gertrud geb. Herzfeld heiratete, da Informationen dazu vorliegen, dass er mit dieser insgesamt drei Kinder bekam. Gertrud wurde am 21. November 1895 in Hannover geboren und war die Tochter von Alexander Herzfeld und Martha Wolfes. Eva, die Erstgeborene von Otto und Gertrud, kam am 15. November 1918 in Hannover auf die Welt, Ursula am 9. November 1919. Die jüngste Tochter des Paares, Ilse, wurde am 2. September 1923 geboren.

Otto zog aus beruflichen Gründen gemeinsam mit seiner Familie im September 1938 von Hannover nach Köln in die Ottostraße 85, um dort als Oberarzt der chirurgischen Abteilung des Jüdischen Krankenhauses zu agieren. Nachdem im Oktober 1938 allen jüdischen Ärzten ihre Approbation entzogen worden war, war Otto einer der wenigen Ärzte, der weiterhin seine Zulassung als Krankenbehandler behalten durfte.

Neben umfangreichen Veränderungen der Rahmenbedingungen des Jüdischen Krankenhauses kam es auch zu einer namentlichen Änderung bei Otto Wolfes. Am 1. Januar 1939 erhielt er auf Grundlage der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen vom 17. August, wie auch viele weitere männliche Personen der jüdischen Bevölkerung, den zweiten Vornamen Israel. Nachdem der Leiter des Krankenhauses, Dr. Georg Lepehne, im Jahr 1939 in die USA ausgewandert war, wurde Otto Wolfes sein Nachfolger.

Durch die ersten Deportationen des 21. Oktobers 1941 veränderte sich die Situation des Krankenhauses grundlegend, da der größte Teil der Deportierten aus Medizinern und Pflegepersonal bestand, welche die medizinische und organisatorische Begleitung der Sanitätsabteilung des Transportzuges übernehmen sollten.

Auch Otto Wolfes war unmittelbar von den Deportationen des Jahres 1941 betroffen. Am 21. Oktober 1941 wurde er ausgewählt, als Leiter der Sanitätsabteilung zu agieren. Seine Tochter Ursula, die zuvor dem Pflegepersonal angehört hatte, wurde dazu bestimmt, als Sanitätshelferin zur Verfügung zu stehen. Zeitgleich wurden auch die Familienangehörigen deportiert. Der Betroffene wurde also am 21. Oktober 1941 mit seiner Ehefrau Gertrud Wolfes und seinen beiden Kindern Ilse und Ursula aus Köln nach Lodz, Litzmannstadt, deportiert. Eva, die älteste Tochter, war bereits nach ihrer Ausbildung nach Südafrika ausgewandert und konnte somit den grausamen Geschehnissen, die sich zu diesem Zeitpunkt abspielten, entfliehen.

Nach dem gemeinsamen Transport ins Ghetto in Litzmannstadt trennten sich die Wege der Familie. Ottos Frau Gertrud verstarb vermutlich im Ghetto zu Lodz. Seine Töchter Ilse und Ursula wurden beide am 27. September 1944 zuerst in das Konzentrations- und Vernichtungslager in Auschwitz, später in das Konzentrationslager in Stutthof verschleppt, in welchem sie beide ermordet wurden. Otto wurde im August 1944 nach Auschwitz und weiter nach Dachau, ins Konzentrationslager Kaufering, deportiert. Er verstarb schließlich am 17. Januar 1945 in der Außenstelle des KZ Dachau, vermutlich an Typhus und dem Hungertod.

Mit der Verordnung vom Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941 verfiel Otto Wolfes Guthaben von 31 Reichsmark, welches sich zu diesem Zeitpunkt noch auf seinem Konto in Hannover befand, und wurde dem Deutschen Reich übertragen.

Laura Motairek, Q1 (2019/2020)