„Alternativlos“ und „zeitgemäß“: Schulen stellen sich hinter die Pläne der christlichen Kirchen
Auch im Raum Hildesheim wird der katholische und evangelische Religionsunterricht wohl in wenigen Jahren gemeinsam unterrichtet. Die christlichen Kirchen haben angekündigt, möglichst bald mit dem Land über einen neuen konfessionsübergreifenden christlichen Religionsunterricht an den Schulen in Niedersachsen verhandeln zu wollen. Darüber wird schon seit geraumer Zeit diskutiert – allerdings werden die Pläne jetzt konkret.
In Hildesheim stoßen sie fast überall auf Sympathie. Auch an Schulen, die erhebliche konfessionelle Prägungen haben. Dirk Wilkening, Direktor des evangelischen Gymnasiums Andreanum, spricht etwa von einem „alternativlosen Schritt“. Stephan Speer, Leiter des katholischen Mariano-Josephinums, von einer „zeitgemäßen“ Entwicklung. Auch Klaus Sagermann, Leiter der katholischen Albertus-Magnus-Schule, begrüßt die Überlegungen, „weil die Lebenswirklichkeit der meisten Schülerinnen und Schüler kaum noch konfessionsbezogen ist“. Von den rund 800 000 Schülern in Niedersachsen sind noch 46 Prozent evangelisch und 16 Prozent katholisch. Fast jeder vierte Schüler gehört gar keiner Glaubensrichtung an, 9 Prozent sind Muslime.
Die Weiterentwicklung des Religionsunterrichts sei auch nach Meinung der meisten Religionslehrerinnen und -lehrer der Realschule in Trägerschaft des Bistums wichtig, so Sagermann. „Die Umsetzung wird sicherlich nicht ganz einfach werden, denn neben den organisatorischen Anforderungen ist auch ein sensibler Umgang mit den Befindlichkeiten der Kinder aus den verschiedenen Konfessionen erforderlich.“ Auch Wilkening spricht in diesem Kontext davon, dass es wohl noch „spannend“ werde.
Die führenden Geistlichen der niedersächsischen katholischen Bistümer, des katholischen Offizialats Vechta und der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen hatten am Montag beschlossen, dass katholische und evangelische Kinder bald im Fach Religion nicht mehr getrennt unterrichtet werden sollen. Bereits im vergangenen Jahr hatten die Kirchen dies rechtlich prüfen lassen. Das Vorhaben ist bundesweit einzigartig. Allerdings könnten bis zur Umsetzung noch Jahre vergehen. Zunächst muss das Schulgesetz geändert und Lehrpläne angepasst werden. Kirchenvertreter rechnen damit, dass der gemeinsame Religionsunterricht frühestens im Sommer 2025 ein ordentliches Unterrichtsfach werden könnte. Auswirkungen auf den Werte- und Normen-Unterricht oder auf islamischen Religionsunterricht hat der Zusammenschluss der christlichen Kirchen in dieser Frage nicht.
Das Land Niedersachsen sieht das gemeinsame Vorhaben der Kirchen positiv. „Diese Pionierleistung der Kirchen ist ein tolles Zeichen und birgt viel Potenzial für guten Unterricht für die Schülerinnen und Schüler“, findet Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne).
Ganz neu wird der gemeinsame Unterricht nicht sein. „Schon jetzt ist er in der Form des konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts an den meisten Schulen in Niedersachsen Realität“, berichtet Speer. Schließlich seien die zentralen Themen des Religionsunterrichts auch gemeinsame Inhalte. Am Mariano-Josephinum werde der Religionsunterricht derzeit weitgehend konfessionell erteilt, wobei gerade in den Oberstufenkursen evangelische Schülerinnen und Schüler am katholischen Unterricht teilnehmen und umgekehrt. „Letztlich schärft sich dort im Idealfall der eigene konfessionelle Blick im Diskurs“, sagt Speer.